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Morbus Scheuermann

Arzt tastet die Brustwirbelsäule eines Jugendlichen ab. Findet sich eine fixierte Verkrümmung, kann dies auf Scheuermann-Krankheit hinweisen.

Morbus Scheuermann (Adoleszentenkyphose, Juvenile Kyphose): Verformung der Wirbelkörper, die durch einseitige Abflachung keilförmig werden. Da meist die Brustwirbelsäule betroffen ist, bildet sich durch die Erkrankung typischerweise ein Buckel. Der Morbus Scheuermann ist häufig und tritt vor allem bei männlichen Jugendlichen auf. In den meisten Fällen genügen Krankengymnastik und Haltungstraining als Therapie, nur sehr selten sind Korsettbehandlungen oder gar korrigierende Operationen notwendig. Die Erkrankung verläuft meist gutartig und ohne bleibende Einschränkungen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Meist leichter Buckel im Hals-Brust-Bereich, typischerweise als "schlechte Haltung" interpretiert
  • Verminderte Drehfähigkeit der Wirbelsäule im Brustbereich
  • Gelegentlich Rückenschmerzen, v. a. im Erwachsenenalter.

Wann zum Arzt

In den nächsten Wochen bei

  • schlechter Haltung oder Buckelbildung bei Jugendlichen

Die Erkrankung

Die Wirbelsäule ist kein gerader Stab, sondern bei seitlicher Betrachtung S-förmig gekrümmt. Im Bereich von Hals- und Lendenwirbelsäule biegt sich die gesunde Wirbelsäule nach vorn, es entsteht eine sogenannte Lordose. Die Brustwirbelsäule bildet dagegen eine Art Rundrücken oder Buckel (Kyphose), hier sind etwa 20 bis 40° Krümmungswinkel im Normbereich. Beim Morbus Scheuermann verändert sich die Krümmung der Wirbelsäule. Die Brustwirbelsäule ist am häufigsten betroffen, die normale Krümmung wird stärker, es bildet sich ein Buckel aus. Seltener ist die Lendenwirbelsäule betroffen. Hier führt der M. Scheuermann zu einer Verflachung der physiologischen Lordose.

Scheuermann-typische Anzeichen an der Wirbelsäule lassen sich bei bis zu 30°% der Kinder und Jugendlichen im Röntgenbild nachweisen, allerdings entwickeln nur wenige davon Beschwerden. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen, die Krankheit beginnt meist zwischen dem 11. und 13. Lebensjahr.

Krankheitsentstehung

Die Ursache des Morbus Scheuermann ist nicht geklärt. Während des Wachstums entstehen Schwachstellen an den knorpeligen Deckplatten, die den Wirbelkörper an der Ober- und Unterseite begrenzen. Wenn durch die Schwachstellen Bandscheibenmaterial eindringt, verliert der Wirbelkörper an Knochenfestigkeit und verformt sich unter dem Körpergewicht allmählich zu einem Keil (wobei die Spitze des Keils zur Brust, die breite Seite zum Rücken hinzeigt). Sind viele Brustwirbel von dieser Veränderung betroffen, summieren sich die Verformungen zum oben genannten Rundrücken. Im Unterschied zum Buckel bei bloßer Haltungsschwäche, der sich aktiv ausgleichen lässt, ist der Rundrücken beim Morbus Scheuermann fixiert. Tritt die Erkrankung in seltenen Fällen an der Lendenwirbelsäule auf, führt sie dort zu einer Abflachung der normalen, nach vorn gerichteten Krümmung (Flachrücken).

Verlauf und Folgen

Der Morbus Scheuermann wird in drei Krankheitsstadien eingeteilt:

  • Im Initialstadium hat die Betroffene noch keine Beschwerden, die Krankheit wird als Zufallsbefund im Röntgenbild sichtbar.
  • Im Ausbildungsstadium sieht man die Auswirkungen der Wirbelsäulenveränderungen von außen an der Patient*in. Je nach Ort des Geschehens bildet sich ein Rundrücken (Brustwirbelsäule) oder selten auch Flachrücken (Lendenwirbelsäule) aus. Bei manchen Betroffenen stellen sich schon in diesem Stadium Schmerzen ein.
  • Mit Abschluss des Wachstums kommt die Krankheit zum Stillstand. In diesem Endstadium finden sich deformierte Wirbelkörper und verschmälerte Bandscheiben. Mit Ausnahme der wenigen schweren Fälle ist die Fehlstellung gering und äußerlich kaum sichtbar.

Folgen

Je stärker die Statik der Wirbelsäule gestört ist, desto größer ist die Anfälligkeit für einen vorzeitigen Verschleiß, für muskuläre Verspannungen und Rückenschmerzen (zunächst vor allem im Bereich der Brustwirbelsäule). Später entwickeln sich häufig zusätzlich Bandscheibenprobleme und Schmerzen im Lendenwirbelbereich, da diese die Buckelbildung der Brustwirbelsäule auszugleichen versucht (Hohlrundrücken).

Daneben wird im Verlauf oft die Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt, d. h. die Betroffenen haben Probleme beim Bücken und beim Drehen. In sehr schweren Fällen kommt es auch zu einer völligen Einsteifung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts.

Diagnosesicherung

Bei den meisten Jugendlichen, die wegen schlechter Haltung in der Sprechstunde erscheinen, wird die Ärzt*in nach der körperlichen Untersuchung eine alterstypische, harmlose Haltungsschwäche diagnostizieren. Den Verdacht auf einen Morbus Scheuermann äußert sie, wenn sie einen fixierten, also nicht ausgleichbaren Rundrücken findet.

In diesem Fall veranlasst die Ärzt*in Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule von vorne und von der Seite. In der seitlichen Aufnahme lässt sich das Ausmaß der Verformung ausmessen. Ein Morbus Scheuermann liegt vor, wenn mindestens 3 aufeinanderfolgende Wirbelkörper keilförmig deformiert sind und der gemessene Winkel 5° übersteigt. Meist zeigt das Röntgenbild in den betroffenen Wirbelkörpern auch typische Löcher (Schmorl`sche Knötchen), die dem eingedrungenen Bandscheibenmaterial entsprechen.

Differenzialdiagnosen. Buckel bei schlechter Haltung. Entwickelt ein Erwachsener nach Scheuermann-Erkrankung in der Jugend starke Rückenschmerzen oder Bewegungseinschränkungen, sind neben den Scheuermann-typischen Folgezuständen auch eine Osteoporose oder ein Morbus Bechterew auszuschließen.

Behandlung

Eine ursächliche Behandlung ist nicht möglich. Früher wurden Betroffene in Korsette eingeschnürt, zur Schonung angehalten, in ihrer Berufswahl eingeschränkt, also krank gemacht. Heute hat sich die Haltung der Ärzteschaft geändert; sie empfiehlt den betroffenen Jugendlichen, ihr Leben mit möglichst wenigen Einschränkungen zu leben und körperlich aktiv zu sein.

Krankengymnastik. Die krankengymnastischen Übungen dienen vor allem drei Zielen:

  • Durch Training der Rückenmuskulatur soll der Rücken wieder aufgerichtet werden.
  • Die meist verkürzten Bauchmuskeln müssen gedehnt werden, um die Aufrichtung des Rückens überhaupt zuzulassen.
  • Die Wirbelsäule soll möglichst beweglich gehalten werden.

Wenn die Krümmung nicht stark ausgeprägt ist und die Betroffenen regelmäßig geeigneten Sport treiben (siehe "Ihr Apotheker empfiehlt"), erübrigen sich nach Rücksprache mit der behandelnden Ärzt*in häufig die krankengymnastischen Übungen.

Krankengymnastik an Geräten. Erwachsene mit abgelaufenem („ausgebranntem“) Morbus Scheuermann und Rückenschmerzen profitieren oft von einer Krankengymnastik an Geräten (Bewegungstherapie).

Korsettbehandlung. Ist die Erkrankung stark ausgeprägt (Verkrümmung über 50° nach Cobb) und befindet sich die Betroffene noch im Wachstum, verordnet die Ärzt*in zusätzlich häufig ein Korsett. Dadurch wird die Aufrichtung der Wirbelsäule oft überhaupt erst möglich.

Operative Behandlung. Bei extremer Buckelbildung (über 70° nach Cobb) ist eine Versteifungsoperation möglich, aber nur in Ausnahmefällen notwendig und empfehlenswert. Operiert wird auch, wenn durch die Verkrümmung der Wirbelsäule die Lungenfunktion eingeschränkt ist oder wenn die Rückenschmerzen auf konservativem Weg nicht beherrschbar sind.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Geeigneter Sport. Wer bei Morbus Scheuermann seine Oberkörpermuskulatur durch regelmäßigen Sport trainiert, beugt Rückenschmerzen vor. Am besten geeignet sind Sportarten mit fließenden, symmetrischen Bewegungen des Oberkörpers, z. B. Schwimmen. Weniger empfehlenswert sind sportliche Aktivitäten, die zu wiederholter Stauchung der Wirbelsäule führen, wie Fußball oder Laufen. Sportarten wie Squash, Tennis oder Mannschaftsballdisziplinen sind in Maßen sinnvoll, doch raten die meisten Ärzt*innen von intensivem Training ab, da die abrupten Richtungswechsel zu starken Beschleunigungs- und Bremskräften auf die geschädigte Wirbelsäule führen.

Bauchlage. Das Liegen auf dem Bauch, z. B. beim Schlafen oder Lesen, ist für viele Betroffene deutlich angenehmer als die Rückenlage.

Physikalische Therapie. Rotlicht, Fango, Massagen und auch Elektrotherapien (z. B. die TENS) können helfen, muskuläre Verspannungen zu lösen. Bewegung und Krankengymnastik ersetzen diese Verfahren allerdings nicht.

Arbeitsplatzergonomie. Arbeitsstühle mit der Funktion „dynamisches Sitzen“ sind gerade für einen „vorgeschädigten“ Rücken sinnvoll. Sie verfügen über eine Rückenlehne, die sich mitbewegt und gleichzeitig den Rücken stützt. Wenn Ihnen eine häufige Änderung der Sitzhaltung schwerfällt, wählen Sie eine dauerhafte Sitzposition, die zwischen Rücken und Oberschenkel einen Winkel von etwa 120° einschließt. Was früher als schlampige Haltung empfunden wurde, hat sich in neueren, wissenschaftlichen Studien als deutlich rückenfreundlicher erwiesen als eine „gerade“ Sitzhaltung mit einem rechten Winkel in der Hüfte. Wichtig für die Arbeitsplatzergonomie ist auch die richtige Höhe von Tisch und Stuhl. Idealerweise bilden Ober- und Unterarme sowie Ober- und Unterschenkel mindestens einen rechten Winkel. Wenn die Arme locker auf den Armlehnen aufliegen, entlastet diese Position den Schulterbereich. Handballenauflagen vor der Tastatur entspannen beim Tippen ebenfalls die Schultern, tun aber auch dem Nacken gut.

Rückenschonend arbeiten. Wenn Sie körperlich arbeiten, vermeiden Sie möglichst Tätigkeiten, die den Rücken belasten. Gelingt dies nicht, führen Sie die erforderlichen Arbeiten rückenschonend aus. Heben und tragen Sie Gegenstände mit geradem Rücken und gleichmäßiger Verteilung auf beide Arme. Tragen Sie schwere Lasten dicht am Körper und vermeiden Sie dabei unbedingt, den Oberkörper im Stand zu drehen. Besser: In die Hocke gehen, statt sich zu bücken, soweit es Ihre Kniegelenke erlauben.

Rückenschule. Neben Sport empfiehlt sich als Selbsthilfemaßnahme das Erlernen eines rückenfreundlichen Verhaltens, z. B. im Rahmen einer Rückenschule.

Weiterführende Informationen

  • www.skoliose-info-forum.de – Privat geführte Internetseite, Waxweiler: Informativ, interaktiv und mit Forum. Richtet sich an Patient*innen und Interessierte von Wirbelsäulendeformitäten (v. a. Skoliosen und Morbus Scheuermann).

14.11.2024 | Dr. med. Siegfried Locher in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski ; Bildrechte: Joyseulay/Shutterstock.com